Es ist Brauch am Gymnasium Wendalinum, dass im Herbst für die Klassenstufe 6 ein Autor oder eine Autorin eingeladen wird. Beraten wird die Schule dabei von Frau Rousselange und Frau Armbrust vom Friedrich-Bödecker-Kreis, die den Besuch dann auch unterstützen und ermöglichen. Bereits im letzten Jahr schlugen die Damen den Besuch von Michael Petrowitz vor, der die Schüler und die Lehrer mit seiner mitreißenden Art so in den Bann zog, dass man ihn in diesem Jahr gleich noch einmal einlud.
„Wer von euch macht Kampfsport?“, so eröffnet Michael Petrowitz die Lesung und zeigt den Schülern der Klassenstufe 6 wie man sich im chinesischen Kampfsport Kung-Fu begrüßt. In dem Kinderbuch Kung-Fu im Turnschuh, aus dem der Berliner vorliest, geht es nämlich um den zehnjährigen Robin, der in seinem funkelnagelneuen Paar Turnschuhen einen winzig kleinen Shaolin entdeckt, der auf der Suche nach einem neuen Kung-Fu-Schüler ist. Schnell stellt sich heraus, dass dieser neue Schüler Robin sein wird, der auf seinem Weg, von seinen Mitschülern als cool akzeptiert zu werden, kläglich scheitert. Zusammen mit Robin trainieren die Sechstklässler begeistert und machen zunächst einmal die Erfahrung, dass die erste Lektion, der MA-BU, der so genannte Reiterstand, gar nicht so einfach ist. Mit einem original chinesischen Gong gibt Herr Petrowitz die Zeitlänge für diese Übung an, die alle Schüler nur mit großer Mühe durchhalten. „Wenn man an den Punkt kommt, an dem man glaubt, es geht nicht mehr, man kann nicht mehr, dann muss man sich sagen „Du schaffst das!“ und „Weiterkämpfen!“, ermunterte der Autor die vor Anstrengung schwitzenden Schülern. Dass die Beherrschung dieser Übung Standfestigkeit verleiht, demonstriert der Autor am eigenen Leib: Die Schüler dürfen versuchen, ihn in dieser Haltung umzustoßen, was ihnen trotz aller Kraftanstrengung aber nicht gelingt. Somit ist die erste Lektion gelernt. Bevor es zur zweiten Lektion, dem Vomesischen Sitz, weitergeht, folgen die Sechstklässler neugierig weiter der Handlung des Buches Kung-Fu im Turnschuh, aus dem der Autor sehr lebendig vorträgt. Unterstützt wird er dabei durch die Zeichnungen aus dem Buch, die mit dem Beamer an die Wand projiziert werden. Mit seiner faszinierenden Art des Vortrags, durch die die Kinder gebannt an seinen Lippen kleben, lässt Michael Petrowitz die Figuren zum Leben erwachen: Die Schüler sind dabei, als Robin die neuen, teuren Turnschuhe gestohlen werden und verfolgen gebannt seine Entwicklung und Ausbildung bis zum Ende der Handlung, an dem sie nicht nur eine Urkunde für die bestandene Prüfung zum Turnschuh-Shaolin-Anwärter erhalten, sondern mit Robin die allerwichtigste Lektion gelernt haben: „Etwas zu können ist wichtiger, als etwas zu besitzen.“ Man muss nicht mit dem Trend mitgehen, um von seinen Mitschülern akzeptiert zu werden. Innere Werte sind viel wichtiger.
Eines ist jetzt schon klar: Der Friedrich-Bödecker-Kreis muss im nächsten Jahr wieder den Besuch von Michael Petrowitz ermöglichen.
S. Schmidt-Sattler