Das Wendalinum bis 1900 – das Progymnasium

Die Versuche der Bürger, die Schule zu erweitern um die Fächer Physik, Chemie und Technologie, wie das benachbarte Bayern sie kannte, und ebenso um Latein und Griechisch, scheiterten an dem Einwand Berlins, es gebe zu viel gute Lehranstalten ringsum: in Saarbrücken, Zweibrücken, Kreuznach. Trotzdem ruhten die Bürger, vor allem das Kuratorium der Schule, nicht. Sie erreichten es schließlich, daß durch  Ministerialerlaß  vom  5. 9. 1854 die Errichtung eines dreiklassigen Progymnasiums genehmigt wurde. Neuer Direktor wurde Johannes Busch, bis dahin Leiter des Progymnasiums zu Prüm. Das Kollegium umfaßte 7 Lehrer. Am 7. Dezember 1855 erhielt die Anstalt die Bezeichnung „Königliches Progymnasium“. Auf Drängen der Bürger wurde 1863 die Tertia angegliedert und die Stundenzahl für Latein und Griechisch zuungunsten anderer Fächer von unten herauf vermehrt.

Am 6. Oktober 1863 schied Johannes Schué -jetzt der zweite Lehrer – der Begründer des Lyzeums, anläßlich seines 50. Dienstjubiläums 71-jährig aus, gefeiert von den geistlichen und weltlichen Behörden, der Bürgerschaft und seinen ehemaligen Schülern. Am 22. Januar 1867 starb er in Urexweiler. Sein Grab kennt niemand mehr.

Daß sich im Kollegium Änderungen vollzogen im Laufe der Jahrzehnte, ist selbstverständlich, zumal bei Kriegsausbruch 1870; sie können hier nicht aufgezeigt werden. Während auf der hohen Ebene das Zweite Deutsche Reich geschaffen wurde, verfolgten die Bürger ihre kleineren, aber für sie nicht weniger wichtigen Ziele weiter. Ihr drängendes Bemühen, vor allem das des Bürgermeisters Müller, erreichte, daß eine weitere Klasse angegliedert wurde und die Stundenzahl der alten Sprachen für Latein auf 10, für Griechisch auf 6 wuchs. Die Schülerzahl betrug mit der Sekunda 98 Schüler.

Das alte Gebäude war zu klein. Ein Neubau mußte ins Auge gefaßt werden, aber er ließ sich nicht so schnell verwirklichen, wie der Rektor es erhoffte, der das Jahr 1875 als Jahr der Vollendung ansah.

Währenddessen wurde die Anstalt dem Rhein. Provinzialschulkollegium zu Koblenz unterstellt. Vom 1. Januar 1874 an wurde sie als Staatsanstalt anerkannt. Die Freude in der Stadt darüber war groß, da man dieses Ereignis als Vorbedingung für den Ausbau der Anstalt zur Vollanstalt ansah.

Immerhin waren seit der Gründung 50 Jahre verflossen, und die Schule hatte – wie auch in unserer Zeit – ein wechselreiches Schicksal. Am 18. Oktober 1874 beging sie die Feier ihres 50jährigen Bestehens. Es war der Jahrestag der
Geburt des Kronprinzen. Es war die Zeit, in der der Kulturkampf seinem Höhepunkt entgegensteuerte. Zur Feier waren der Regierungspräsident von Wolff aus Trier und der Provinzialschulrat Dr. Stauder aus Koblenz erschienen. Gegenstände der Reden im Kasino waren die Schule selbst, seine Majestät, der Kaiser und König, seine Majestät der Kronprinz, der Geist der Stadt St. Wendel, die Persönlichkeit des Regierungs- und Schulrats Keller aus Trier, der ein steter Förderer der Schule war, der Bürgermeister und der Stadtrat von St.Wendel und schließlich auch der Wert der humanistischen Studien. Lehrer wurden befördert, und der Landrat erhielt den „Rote Adler Orden 3. Klasse mit Schleife“. Gratulationen von ehemaligen Lehrern und Schülern gingen ein, aber eine Enttäuschung gab es doch: Man konnte mit
diesem Ereignis nicht zugleich den Grundstein für das neue Gebäude legen. Dafür bekam die Schule einen neuen Namen: „Kronprinz Friedrich Wilhelms-Progymnasium “ .

Der Einzug in das neue Gebäude war im Oktober 1877. Es ist das Gebäude, das jetzt als das Alte Gymnasium in der Gymnasialstraße bezeichnet wird, das immer noch schulischen Zwecken dient. Auch die Stadt hatte erhebliche Mittel zum Bau der Schule bereitgestellt. Für die Feier hatte die Schule einen eigenen Festraum, die Aula, nachdem der Zug vom ersten Progymnasialgebäude in der Josefstraße am neuen Gebäude angekommen war. Auch hier hörte die Festversammlung Segenswünsche und Äußerungen auf eine hoffnungsvolle Zukunft. Die Schüler umrahmten die Feier mit Musik, Gesang und Deklamationen, und der Rektor wies auf die Aufgaben hin, an denen die Anstalt „in unserer tief bewegten Zeit mit ganz besonderem Ernste mitzuwirken hat“. Es wurden Hochrufe auf den Kaiser und den Kronprinzen ausgebracht, und begeistert sang die Festversammlung die Nationalhymne, zumal anläßlich einer Vorbeifahrt Sr. Majestät im Mai ihr Auge auf das im Bau befindliche Gebäude gefallen war. Der Rektor, der die Schule seit 1855 geleitet hatte, schied mit Beginn des Winterhalbjahres 1889/9O aus der Schule aus. Auch ihn ehrte der Kaiser und König mit dem „königlichen Kronenorden lll. Klasse“. Sein Nachfolger wurde der bisherige Oberlehrer am königlichen Gymnasium in Bonn, Dr. Franz Koch.


Eines Tages traf Prof. Orlik in Berlin seine beiden Akademieschüler Hoexter und Sintenis, wie sie leicht beschwipst die Friedrichstraße entlangschlenderten. „Eine Schande“, sagte er, „daß zwei so begabte junge Menschen nichts Besseres zu tun haben als sich am hellichten Tag zu betrinken.“ – „Aber, Herr Professor“, sagt da der Hoexter mit erhobenem Zeigefinger, „leidet die Welt nicht weniger unter der Faulheit der Begabten als unter dem Fleiß der Unbegabten?“
Nach F. Michael

Im Zuge der Neuordnung der höheren Schulen verlor aber mit Beginn des Schuljahres 1892/93 die Schule die OII, sodaß aus der siebenstufigen wiederum eine sechsstufige Schule wurde, deren Abschlußprüfung den Zugang für alle Zweige des Subalterndienstes öffnete. Der Leiter trug den Titel „Direktor“, die festangestellten wissenschaftlichen Lehrer den Titel Oberlehrer.

Auch im folgenden Zeitraum traten häufig Veränderungen im Kollegium durch Todesfälle, Pensionierungen, Beförderungen, Ausbildungslehrgänge und Versetzungen ein, die sich im wesentlichen innerhalb des Raumes der Rheinprovinz vollzogen, vor allem zwischen St. Wendel und dem Niederrheingebiet und Westfalen. Die Zahl der „Abiturienten“ nahm bis zum Jahre 1899/1900 ständig zu. 1899 waren es 18 Prüfungskandidaten, 7 davon aus St.Wendel selbst, die andern zum größten Teil aus den umliegenden Ortschaften. Es war das Jahr, in dem das 75-jährige Bestehen der höheren Lehranstalt und das 25-jährige Bestehen des „königl. Kronprinz Friedrich Wilhelms-Progymnasiums“ gefeiert wurde. Der Festausschuß setzte sich aus prominenten Männern der Bürgerschaft zusammen. Die Begrüßung der ehemaligen Schüler, Lehrer und Freunde fand am 14. Oktober im Paque’schen Saale statt. Musikstücke des Streichquartetts, Chorlieder des Männergesangvereins, eine Rede des Direktors Dr. Koch, eine Dankrede des Vertreters der ehemaligen Schüler und gemeinsam gesungene Lieder folgten aufeinander. Die Schulfeier selbst fand im geschmückten Saale des Gesellenhauses statt, in der auch als Gratulanten der Direktor des Progymnasiums in Neunkirchen und des Gymnasiums in Birkenfeld ihre Glückwünsche aussprachen. Von der Bürgerschaft wurde der Wunsch ausgesprochen, die Schule möge bald Vollanstalt werden. Am Abend versammelten sich in diesem Raume die Familienangehörigen der ehemaligen und gegenwärtigen Schüler, so daß das Fest ein kleines Volksfest wurde.

Zwei Jahre später wechselte die Leitung wieder. Direktor wurde Dr. Josef Baar, abermals zwei Jahre später Dr. Paul Fischer, bis dahin Oberlehrer am Gymnasium Neuß. Der neue Direktor verfolgte mit Energie die Entwicklung der Anstalt zur Vollanstalt, indem er die Stadtverwaltung zu einer entsprechenden Eingabe an den Vorsitzenden des Provinzial-Schulkollegiums, den Oberpräsidenten von Schorlemer, veranlaßte. Wie die Stadt bis dahin schon an der Finanzierung der Schule beteiligt war, so erklärte sie sich jetzt zu einer großen Steigerung dieser Leistung bereit, wenn ihrem Wunsche stattgegeben würde. Die Schwierigkeit war die Beschaffung des nötigen Unterrichtsraumes. Die Stadt ermöglichte den Ausbau des Gebäudes unter Bürgermeister Friedrich durch einen einmaligen Zuschuß von 15.000 Mark.

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